Best Practice: Präsenztrainings online geben - geht das überhaupt?
Gastbeitrag von Reinhard Heggemann
Mit dieser Frage beschäftigen sich Trainer*innen, Dozent*innen und Bildungsanbieter*innen in diesen bewegten Zeiten zum Teil sehr intensiv. Von grundsätzlicher Ablehnung über zaghafte Annäherung bis hin zu brennendem Interesse erlebe ich bei meiner täglichen Arbeit das gesamte Spektrum von Einschätzungen und Meinungen. Im Folgenden möchte ich Ihnen den Weg beschreiben, die die Atem-, Sprech- und Stimmtrainerin Ute Bries gegangen ist, um ihre Trainings online anzubieten.
Seit mittlerweile 20 Jahren gibt Frau Bries Sprech- und Stimmtrainings in Unternehmen, Hochschulen und bei Bildungsanbietern. Die Trainings, die sich vor allem durch die Interaktion zwischen den Trainerin und den Teilnehmenden sowie den Teilnehmenden untereinander auszeichnen, online anzubieten, konnte sich Frau Bries vor einem Jahr noch nicht vorstellen. Durch die COVID-19-Einschränkungen ab März diesen Jahres stand sie nun vor einer Entscheidung: Auf die Einnahmen verzichten und warten, bis Präsenzveranstaltungen wieder elraubt sind oder ein Format erfinden, welches es erlaubt, Trainings in gleicher Qualität auf Distanz anzubieten.
Bei meinem ersten Beratungsgespräch wurde klar, dass Frau Bries den Weg gehen wollte, ihr Angebot in ein Online-Format zu übertragen. Als erstes Projekt wählten wir das zweitägige Gruppentraining „Starke Stimme – Starker Auftritt“. Die Zielgruppe besteht aus wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen der Universität Bremen. Zum Abschluss des Trainings steht in der Regel das Halten eines Fachvortrags, Themenschwerpunkt sind Stimme und Auftritt.
Da reine Online Meetings für ein Training in diesem Umfang sehr anstrengend und ermüdend sein können, überlegten wir gemeinsam, wie wir die Ziele und Inhalte in ein ansprechendes und interaktives Format bringen können. Gleichzeitig sollte sowohl der finanzielle als auch der eigene Arbeitsaufwand überschaubar bleiben.
Schritt 1: Übersicht bekommen
Wir erfassten als erstes die Lernziele und unterteilten sie, wenn nötig, in Feinziele. Was brauche ich, um die Zuhörenden in deinem Fachvortrag zu informieren und durch Stimme und Auftritt zu überzeugen? Es kristallisierten sich 10 Werkzeuge heraus, die die Teilnehmenden nicht nur kennenlernen, sondern auch anwenden sollen, um das Ziel zu erreichen.
Schritt 2: Inhalte und Methoden ableiten
Das Training, seit 20 Jahren organisch gewachsen und fortlaufend optimiert, zeigte sich zu Beginn der gemeinsamen Arbeit wenig flexibel und ließ sich so kaum in eine feste Struktur einfassen. Die erneute Reflexion darüber, „Was mache ich eigentlich genau in meinen Trainings und welche Methode wende ich dabei an?“ gab dem Ganzen die nötige Klarheit. Wir konnten nun entscheiden, welche Inhalte mit welchen Aufgaben zu verknüpfen sind.
Schritt 3: Struktur und Ablaufplan entwickeln
Gemeinsam entwickelten wir einen Struktur- und Ablaufplan mit insgesamt sechs Modulen, bestehend aus vorbereitenden und nachbereitende Reflexions- und Selbstlernphasen sowie zwei Live Online Meeting zu je 90 Minuten. Im zweiten Live Meeting standen dann die Fachvorträge der Teilnehmer*innen im Mittelpunkt und bildeten den Abschluss des Trainings.
Schritt 4: Das Erstellen der Materialien und Aufgaben
Wie bekomme ich meine Erklärungen, Anleitungen und Aufgaben zu den Teilnehmenden? Das war die zentrale Frage, die sich bei diesem Schritt stellte. Wir entschieden uns dafür, kurze Videos aufzunehmen und diese in einem Lernmanagementsystem (LMS) so zur Verfügung zu stellen, dass sie zeitlich passgenau abgerufen werden konnten. Da die Struktur vorher eindeutig geklärt war, ging das sehr schnell. Pro Aufgabe wurde ein kurzes Video aufgenommen. Somit konnte der Videoschnitt und eine aufwändige Nachbearbeitung vermieden werden. Mit Konvertieren in das richtige Format und Einstellen in das Lernmanagementsystem waren es etwa ein Tag Arbeit. Das war allerdings nicht alles. Die Teilnehmenden sollten ihre Sprechergebnisse ebenfalls als Video zum Feedback in das System einstellen. Das zu ermöglichen, stellte uns vor keine großen Herausforderungen, so das wir schnell zu einem Ergebnis kamen.
Schritt 5: Anwendertest
Als Ersteller von Materialien scheinen uns die Dinge einfach und klar. Im Präsenztraining merken wir an erstaunten oder verwirrten Gesichtern, dass wir bei Erklärungen nachjustieren müssen. Das geschieht in der Regel routiniert und unbewusst. In einem Blended Training bedürfen die nicht Präsenzphasen einer eindeutigen Präsentation, Erklärung und Aufgabenstellung. Es zeigte ich, dass es noch eines klaren Zeitplans bedarf, damit alle Aufgaben angemessen erledigt werden und an der ein oder anderen Formulierung gefeilt werden musste. Von der Navigation her noch ein paar Kleinigkeiten verbessern und fertig war das Arrangement.
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